Um die 2000er herum, aber auch bereits im vorangegangenen Jahrzehnt war das das Kino wie auch die Literatur und die Kunst erfüllt von Geschichten, in denen es vor allem um die Bedenken hinsichtlich der neuen Technik des Internets gingen. War es in den 80er noch ein Gebiet der Nerds und einiger weniger Experten, war der Siegeszug des weltweiten Netzes Ende der 90er nicht mehr aufzuhalten. Während sich viele Filme wie auch Romane mit den Chancen befassten, gab es auch jene Stimmen, die befürchteten dieser ehemals freie Raum würde, ob kurz oder lang, von Konzernen übernommen werden, was aus heutiger Sicht fast schon prophetisch anmutet. Einer der vielleicht schrägsten, aber nichtsdestotrotz interessantesten Einträge, die sich mit diesem Thema befassten, ist Shu Lea Chang‘s Pink-Film „I.K.U. – This is not Love – This is Sex“, eine Auftragsarbeit im Namen des Produzenten Takashi Asai, seines Zeichens Gründer von Uplink, einer unabhängigen Filmproduktionsfirma.
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Die Handlung setzt im Jahre 2030 ein, als die global agierende Genom Corporation ein neues Produkt, einen „I.K.U. Chip“ entwickelt, der es dem Nutzer ermöglicht von einem Server hunderte sexueller Erlebnisse zu genießen, natürlich ohne jeglichen körperlichen Kontakt. Um an die dafür nötigen Daten zu gelangen, nutzt die Firma einen Cyborg namens Reiko, der sich, je nach Präferenz des Gegenübers in eine sexuell attraktive Gestalt verwandeln kann und dabei gesteuert wird von Dizzy (Zachery Nataf). Eine Weile gelingt es tatsächlich einige Daten zu sammeln, als Reiko, in jeweils anderer Gestalt, Sex mit einem Lieferanten, einer Stripperin und vielen anderen Menschen hat.
In einem Nachtklub kommt es jedoch zu einem Zwischenfall und Reiko wird von einem Replikanten der Konkurrenz mit einem Virus infiziert. Ohne die Möglichkeit zu haben, ihre Mission zu vollenden, ist auch Dizzy ratlos und frustriert. Eine unerwartete Begegnung und eine in Reiko versteckte Programmdatei könnten aber die Rettung sein, geben Reiko aber auch die Macht unabhängig zu sein.
Schon in der Planung kam es zwischen Shu Lea Chang und Produzent Asai zum Zerwürfnis, was die Geschichte an sich und die Sexszenen anging. Generell ist „I.K.U.“ dürfte die Produktion nicht gerade einfach gewesen sein, was zudem nicht gerade mit Kritikerlob belohnt wurde und Zuschauer bei ersten Sichtungen des Filmes auf dem Sundance Festival den Saal verließen. Vielleicht genügt hierzu alleine ein Blick auf das Resümee der Regisseurin, die sich in erster Linie als Multimediakünstlerin versteht und in diesem Film sich vor allem mit der Wirklichkeit von Medien auseinandersetzt oder, genauer gesagt, wie diese unsere Wahrnehmung beeinflussen. Hierzu greift Chang auf die Ästhetik von Videospielen und Musikvideos zurück, sowie auf zahlreiche Referenzen zum Genre des Cyberpunk, allen voran Philip K. Dicks „Blade Runner“ und dessen Verfilmung von Ridley Scott.
Wie eigentlich alle Pink-Filme nutzt Chang das Medium zu betrachten, wie die neue künstliche Wirklichkeit von Konzernen kontrolliert wird und nur noch dem reinen Konsum dient. Fast schon dystopisch mutet die Prämisse von „I.K.U.“ an, dessen Weiterdenken der Technik etwas an die Feelies aus Aldous Huxleys „Brave New World“, welche weniger Spiele oder Filme sind, sondern eine multi-sensorische Erfahrung für den Nutzer bieten. Tetsuya Kamotots Kameraarbeit in Kombination mit Kazuhiro Shiraos entfesseltem Schnitt sowie der Filmmusik Happy Kamiyamas und von The Saboten komplettieren den Eindruck einer Welt, die auf das Vergnügen aus, die aber nicht nur ihren Nutzer (und auch den Zuschauer) überlastet, sondern vor allem sehr traurig und leer wirkt.
„I.K.U. – This is not Love – This is Sex“ ist eine Mischung aus Pink-Film, Experimentalfilm und medienkritischer Essay. Shu Lea Cheang zeigt eine Welt, in der Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion nicht mehr relevant ist, in der Körper austauschbar geworden sind und in welcher die digitale Welt vor allem ein Spiegel der spirituellen Leere der Welt des Filmes ist.